Juliane Rapp leitet als Direktorin das Hotel König Ludwig im Allgäu. So weit, so langweilig. Alles, außer gewöhnlich jedoch ist die Karriere der 35-Jährigen. Ein Interview über Hammernachrichten, falsche Versprechungen, Umwege und Schnellstraßen zum Glück – und das älteste Gewerbe der Welt.
Manche Menschen haben einfach drei PS mehr! So wie Juliane Rapp. Wenn die Direktorin des Hotels König Ludwig in Schwangau den Raum betritt, dann flirrt die Luft. Power pur. „Ich wusste schon ganz früh: Für mich gibt’s nur Hotel!“ Aber nicht etwa, weil die Eltern Hoteliers waren, sondern von innen heraus. „Ich bin auf einem Bauernhof in Marktoberdorf im Ostallgäu groß geworden“, erzählt die 35-Jährige. „Da hilft man als Kind ganz selbstverständlich mit. Und lernt automatisch, Arbeit zu sehen.“ Landwirtschaft wäre nichts gewesen? „Schon, aber mich hat schon als kleines Mädchen die große weite Hotelwelt und dieser gewisse Glamour fasziniert.“
Mit 16 sieht Juliane dann beim Zappen eine Reportage über einen Hotelchef in Dubai. „Ab dem Moment war es komplett um mich geschehen!“ Anfangs der zwölften Klasse hat sie ihren Ausbildungsvertrag schon in der Tasche – nach drei Hotelpraktika, die ihr zeigen, wie Traum und Wirklichkeit miteinander auskommen. Ein Jahr später ist das Abi gebaut, die Weiche gestellt.
2005 beginnt sie ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau. Und sieht sich gleich am allerersten Tag mit der knallharten Realität der Hotellerie konfrontiert. „Sieben fangen heute an, nur drei bestehen die Probezeit!“ Ein Satz wie eine Ohrfeige. „In dem Moment wusste ich: So etwas will ich nie wieder hören. Und selbst nie im Leben sagen.“
Im Frühling 2006 flattert für die 20-Jährige dann die Hammernachricht ins Haus, die alles verändert: schwanger! „Eigentlich hast du als Azubi in diesem Moment keine Chance mehr“, sagt Juliane Rapp. „Aber ich wollte das Kind.“ Im Oktober 2006 kommt Töchterchen Jana zur Welt. Und die alleinerziehende Mama geht nach sechs Wochen wieder in die Berufsschule. Auch dank „der besten Oma der Welt und einem einzigartigen Familienzusammenhalt“. Zwei Jahre später macht sie – allen Widerständen zum Trotz – ihren Berufsschulabschluss. Mit 1,0. Der Schlüssel zur großen weiten Hotelwelt.
Der Schlüssel passt zwar nicht in Dubai. Und auch nicht in St. Moritz. Aber in Bad Wörishofen. Direkt in der Nachbarschaft. Im Fünf-Sterne-Haus „Chateau Fontenay“. „Der Chef lud mich zwei Stunden, nachdem ich meine Bewerbung verschickt hatte, zum Vorstellungsgespräch“, erzählt Juliane Rapp. „Er war selbst erst spät Vater geworden und freute sich für mich, dass ich ein Kind hatte.“ Überraschende Unterstützung, die sich die junge Mutter auch in ihrer Lehrzeit so sehnlichst gewünscht hätte. Die Arbeit in dem Luxushaus ist hart, aber herzlich. Juliane lernt viel und schnell. „Silvester 2008 Und Neujahr 2009 waren die Hölle – 15 Stunden Vollgas. Keine Sekunde Pause.“
Aber im kalten Wasser lernt man das Schwimmen am besten. 2010 wird Juliane Rapp stellvertretende Empfangsleitung. Mit 24. Im gleichen Jahr kommt sie dann doch noch nach Dubai. Nicht zum Arbeiten, sondern erstmalig seit fünf Jahren in den Urlaub. Um zu sehen, ob das Burj al Arab mit ihren Jugendträumen mithalten kann. 2012 drückt sie nochmal die Schulbank – und beginnt ein zweijähriges Vollzeitstudium an der Hotelfachschule. „Ich wollte mich in Wirtschaft, Recht, Finanzen, Buchhaltung und Marketing fit machen“. Und an den Wochenenden? Da arbeitet Juliane weiter im Hotel. „Um im Tagesgeschäft zu bleiben.“ Drei PS mehr…
Ihr Chef hatte noch vom Stellvertreterposten gesprochen, sobald sie ihr Studium beendet hat. Jetzt druckst er herum. Und konsequent, wie Juliane Rapp nun mal ist, kündigt sie.
Aber manchmal hat das Schicksal die Finger im Spiel. Den Abschluss als Betriebswirtin 2014 erfolgreich abgeschlossen, will sie eigentlich mit ihrem Partner und ihrer Tochter einfach zwei Wochen Strandurlaub machen. Um Kraft zu tanken und sich dann neu zu orientieren. Doch ihr Bruder schickt ihr während des Urlaubs eine Stellenanzeige, dass das Hotel König Ludwig in Schwangau eine Assistenz der Geschäftsleitung sucht. Also genau SIE! Juliane landet um zwei Uhr nachts in Stuttgart, fährt todmüde heim ins Allgäu, schickt die Bewerbung um Punkt acht Uhr morgens weg – und kriegt den Job!
2021. Juliane Rapp ist jetzt 35 – und seit Mai Hoteldirektorin. „Die mit dem Kind“ hat eine krasse Karriere hingelegt. „Ich habe in alle Bewerbungen immer reingeschrieben: Ich bin Mutter. Ich arbeite Vollzeit. Dieses Kind ist das Wichtigste in meinem Leben. Aber deswegen bin ich nicht weniger leistungsfähig. Im Gegenteil. Ich habe einfach ein Gimmick mehr!“ Sie ist die Nummer zwei im Hotel König Ludwig. Ihr Chef, Florian Lingenfelder, ist nur zwei Jahre älter als sie, hat ebenfalls eine kleine Tochter. „Wir passen beruflich perfekt zusammen!“ Was will man mehr? Was will frau mehr? 2017 ist Juliane Rapp und „Ihr“ Hotel König Ludwig Mitbegründer der AzubiTopHotels. Und schon seit 2016 ist sie Prüferin. „Unsere Azubis sind mir eine Herzensangelegenheit!“
Aber nochmals zum Hotel König Ludwig: Wer mit 35 die Nummer zwei in einem Top-Hotel ist, will doch sicher irgendwann und irgendwo die Nummer eins werden, oder? „Kann ich nicht sagen“, sagt die Direktorin und lacht. „Wer weiß, was kommt? Durch meine Tochter habe ich gelernt, dass das Leben so einige Umwege gehen kann …“ Kein Problem, mit drei PS mehr.
TOP 1: Schluss mit den Vorurteilen! Hotellerie ist mehr als nur: viel arbeiten, nie frei haben, nur Besteck polieren. Das hat sich zum Glück geändert! Wenn Hotel für dich kein Job, sondern Berufung ist: Bingo!
TOP 2 Lass dir von keinem einreden, dass etwas nicht geht!
TOP 3: Wenn mal was nicht funktioniert: Geh einen Schritt zurück – und nimm Anlauf!
TOP 4: Nichts aufschieben! Ein Sommelier hat mir mal gesagt: Eine gute Flasche Wein darf man nicht aufheben, die muss man trinken!
TOP 5: Spaß haben! Wenn dich jemand fragt, in welcher Branche du arbeitest, antworte: „In der ältesten der Welt. Beherbergung war vor Prostitution.“